Magnetisierbar oder nicht?
Von den ungefähr 120 gängigsten Edelstählen sind nur einige magnetisch. Innerhalb der nichtrostenden Stähle gibt es Ferrite und Martensite (Chromstahl), Duplex oder Austenite (Chrom-Nickel-Stahl). Je nach Zusammensetzung sind diese magnetisch oder unmagnetisch bzw. magnetisierbar oder nicht magnetisierbar. Zur Erklärung: Der Chromgehalt bei ferritischem und martensitischem Stahl liegt zwischen 12 und 18 Prozent. Austenitische Stähle sind bei den nichtrostenden Stählen die am häufigsten vorkommenden. Ihnen ist nicht nur Chrom, sondern auch Nickel zugegeben. Gibt man Nickel zu einem ferritischen Stahl auf Chrombasis, erhält man normalerweise diesen austenitsichen Stahl. Ist allerdings das Gefüge aus Ferritbildnern und Austenitbildnern so eingestellt, dass keine eindeutige Ausrichtung als austenitisches Gefüge erfolgen kann, spricht man von Duplex-Stahl. Duplex-Stahl ist somit eine Mischung aus beiden.
Wie schon erwähnt, gehört der größere Anteil an Edelstählen in die Gruppe der austenitischen Legierungen, deren Metallanteile keinen oder kaum Magnetismus entwickeln. Um Edelstahl zu magnetisieren, werden ferritische Legierungen benötigt. Sie besitzen einen hohen Chromanteil zwischen zehn und zwanzig Prozent, enthalten jedoch weniger unmagnetischen Kohlenstoff als austenitische Edelstähle. Da magnetische Legierungen den Edelstahl teurer und empfindlicher machen, werden viele Teillegierungen hergestellt, die eine teilweise Magnetisierung hervorrufen. Diese sogenannten Duplexstähle sind leicht bis mittelstark magnetisch.
70 % aller weltweit eingesetzten nichtrostenden Stähle sind Chrom-Nickel-Stähle, also Austenite und somit nicht magnetisierbar. Schaut man aber genauer hin, sind die meisten Chrom-Nickel-Stähle nicht vollständig austenitisch. In der werkstofflichen Realität zeigt sich, dass die V2A- und V4A-Güten gewisse Anteile an Ferrit (sog. Delta-Ferrit) aufweisen. Hier sind Größenordnungen von bis zu 10 % Delta-Ferrit-Anteil durchaus üblich. Unter alltäglichen Aspekten reicht dies in der Regel aber nicht aus, um das Material spürbar magnetisierbar werden zu lassen.
Und wie magnetisiert man jetzt die „unmagnetischen“ Edelstähle?
Durch eine Änderung der Gefügestruktur, kann es zu einer Magnetisierung des eigentlich „unmagnetischen“ Chrom-Nickel-Stahls kommen. Eine solche Änderung kann bereits durch leichtes Biegen oder durch das Richten des Materials entstehen. Als Folge wandelt sich das austenitische Gefüge um und es bildet sich ein ferromagnetischer Umklappmartensit, bzw. Umformmartensit, wodurch es zu einer spürbaren Magnetisierung kommt. Im Bereich der Umformung reagiert das Metall dann spürbar auf handelsübliche Magnete wie unseren Kühlschrankmagneten. Solche veränderten Gefügestrukturen lassen sich zum Beispiel bei Rohren, Schrauben oder Schnittkanten einer Edelstahlplatte finden.
Fazit
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Mythos des nichtrostenden und nichtmagnetischen Edelstahls falsch ist. Viel mehr kommt es auf die Komponenten wie Zusammensetzung, Legierung und Verarbeitung an, ob ein Edelstahl magnetisch ist oder nicht. Falls Sie sich nun fragen, wofür magnetischer Edelstahl überhaupt nötig ist, denken Sie an Ihre Küche. Denn wenn Sie ein Induktionskochfeld haben, haben Ihre Kochtöpfe stark magnetisierte Böden. Sie lassen sich extrem schnell erwärmen - alles Dank magnetischem Edelstahl.